Alles ist offen

Schattenspiel kennt jeder: flache Figuren hinter einer Leinwand geführt und irgendwo hängt ein Licht. Kommt aus China oder von irgendwo dort.

Stimmt.

Aber davon ist hier nicht die Rede! Sondern von Schatten theater und einer „offenen Spielweise“. Davon, dass alles vor der Leinwand statt findet. Sichtbar ist. Auch der Spieler!

Durch neue Lichtquellen ist es möglich geworden, die Objekte und Figuren von der Leinwand wegzunehmen. Dann wir der Schatten größer aber er bleibt dabei scharf!
Jede Bewegung einer Figur oder der Lichtquelle – und damit jede Veränderung der Szene auf der Leinwand – wird gezeigt!

Dramaturgisch geht dadurch zwar das Geheimnis verloren, wie die Bilder entstehen. Die Frage nach dem „Wie“ taucht gar nicht erst auf, da ja alles sichtbar ist. Gleichzeitig aber muss der Zuschauer seine Aufmerksamkeit aufteilen: hin zu den Szenen auf der Leinwand, zum Gesicht des Spielers, der die Geschichte erzählt und zur Technik, denn dadurch lässt sich entschlüsseln wie die Bilder entstehen. Das erfordert erhöhte Aufmerksamkeit. Und hier ist das Geheimnis wieder zurück, denn „Spannung“ ist nichts anderes!

„Alles ist offen“ heißt auch: jedes Publikum ist neu und keine Aufführung ist wie die andere. Worte im Text verändern sich, weil ich damit spiele, eine Pointe wird verschoben, ein Bild erscheint in anderem Winkel.
Eines allerdings bleibt: das innere Feuer.

Ob es mir nicht langweilig wird nach hunderten von Aufführungen?
Nein, wird es nicht!
Weil es keine Fiktion ist, die hier erzählt wird, sondern Geschichte, die sich tatsächlich so ereignet hat. Und obwohl von Königen und Bischöfen die Rede ist, geht es letztlich immer um die Menschen, die in dieser Stadt gelebt haben und ihre Lebenszeit allzu oft erleiden mussten. Und sie wiederum stehen für das Menschsein schlechthin und den wohl immer währenden Kampf um Wahrheit, Würde und Freiheit.
Und der ist immer erzählenswert.